Besprechung „natur & heilen“, September 9/2014

Mit großer Erzählkunst lässt uns die Autorin an ihrem Leben mit ihrer schwerstbehinderten Tochter Eva teilhaben. Sehr bewegend erzählt die Mutter von ihrer Verzweiflung bei der Geburt ihres Kindes, den Begegnungen mit Ärzten, die alles andere als hilfreich sind, bis sie selbst merkt, dass sie diejenige ist, die ihrer Tochter – auch wenn sie nicht sprechen sowie kaum sehen und sich bewegen kann – in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung helfen kann. Als Eva 18 Jahre alt ist, bekommt sie über die Methode „Gestützte Kommunikation“ (Facilitaded Communication) die Möglichkeit zum Austausch mit ihren Mitmenschen – und ihr Leben verändert sich schlagartig. Dies ermöglicht ihr, sogar die Realschule zu besuchen und erfolgreich abzuschließen. Eine Art Nahtoderlebnis lenkt die Gedanken der jungen Frau in eine völlig neue Richtung, als sie mit einem Mal erkennt, dass sich das „wahre“ Leben auf einer anderen Ebene als der uns bekannten abspielt und dass das irdische Dasein nur eine Art Prüfung für uns Erdenbürger darstellt.
Mit den im Text eingeflossenen Zeilen von Eva erfährt der Leser viel über ihr Innenleben während der ganzen Jahre, und am Ende, kurz vor ihrem selbstbestimmten Tod, vermittelt sie die empfangene Botschaft weiter, die ihr nun einzig wichtig erscheint: Wir Erdenbürger brauchen keine Angst vor dem Tod zu haben und sollen das, was uns hier begegnet und wichtig erscheint, nicht überbewerten.
Ein Buch, das sehr nahe geht und den Leser teilhaben lässt am Schicksal des Gefangenseins im eigenen Körper – und am Darüberhinausgehen: „Nur Sehen lernen und Liebe üben hat ganz großen Wert. Nichts sonst.“

Irene Stolze

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