Christa Möbius, emeritierte Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, wendet sich in ihrem neuen Buch der Frage der Entstehung und Entwicklung der ersten christlichen Gemeinden in Galiläa und Judäa zu. Dabei geht sie davon aus, dass den Briefen des Apostels Paulus viele Informationen über die Gemeinden in Rom, Korinth, Ephesus und Philippi zu entnehmen sind und der Apostelgeschichte über die Urgemeinde in Jerusalem, über die ersten galiläischen und judäischen Gemeinden dagegen nur wenig in den Schriften des Neuen Testaments steht. Da aber das Haus des Fischers Simon in Kapernaum genannt wird und dort bei Ausgrabungen auch ein Haus mit christlichen Inschriften entdeckt worden ist, setzt Christa Möbius voraus, dass sich in diesem Haus eine von mehreren Hausgemeinden getroffen hat.

Wie sind diese Gemeinden entstanden und wie haben sie sich entwickelt? Christa Möbius unternimmt den Versuch, auf diese Fragen Antworten zu finden, indem sie in einer fiktiven Erzählung zeigt, wie es gewesen sein könnte. In dieser Erzählung legt sie dar, dass sich die Anhänger Jesu bereits zu seinen Lebzeiten getroffen haben, wie sie zusammengelebt haben, was ihnen Jesus bedeutet hat und wie sich diese Bedeutung durch seine Auferstehung verändert hat. Dies wird konkret anhand der beteiligten Personen, die wir aus den Evangelien kennen: Simon, Andreas, die Tochter des Jairus und andere. Immer wieder stellt Christa Möbius heraus, dass sie sich als Familie verstanden haben.

Diese Erzählung vermittelt – besonders in den dargestellten Dialogen – theologie- und sozialgeschichtliche Kenntnisse und ist zudem gut lesbar.

Hans-Christoph Goßmann (Deutsches Pfarrerblatt)


Wir kennen sie alle: die gekrümmte Frau, die Schwiegermutter des Petrus oder die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus. Wir kennen sie aus der einen Begegnung mit Jesus, die uns die Evangelien erzählen, manchmal sind es auch zwei. Wie Schnappschüsse sind die Bilder, die wir von ihrem Leben haben. Wie aber haben sie gelebt? Wie sahen ihre Häuser aus? Womit bestritten sie ihren Lebensunterhalt? Hatten sie Verbindung untereinander als Teil der Jesusbewegung vor Ort? Wie haben sie von Jesus erzählt, wie das Evangelium verkündigt? Gab es Hausgemeinden von Frauen in dieser ganz frühen Zeit der Gemeindebildungen? Christa Möbius geht diesen Fragen nach. Sie tut das mit einer fiktiven Erzählung.

Wir kommen in die Häuser in Kapernaum, wir sehen die Frauen ihr Essen zubereiten, miteinander singen und beten und hören sie immer wieder nachdenklich, fragend und überwältigt von dem sprechen, was sie erlebt haben in der Jesusbewegung und was sie erhoffen. Mich inspiriert ihre Erzählidee, die Geschichte eben zu dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in dem Jesus aus Kapernaum aufgebrochen ist, um nach Jerusalem zu ziehen: ‚Als er den Ort verlassen hatte, kamen sich die Frauen vor wie Nestlinge, die die Vogelmutter allein zurückgelassen hat.‘ Wir werden mit hineingenommen in das ‚Nest im Feigenbaum‘, als blieben wir als Leser_innen mit den Frauen, Männern und Kindern in Galiläa zurück, um mit ihnen flügge zu werden im Leben und Glauben und erlebten von dort aus, was im Süden in Jerusalem geschieht: die Verurteilung und Kreuzigung Jesu und seine Auferstehung.

Christa Möbius legt ihrer Geschichte Forschungsergebnisse der sozial-kritischen Bibelauslegung zugrunde. Genau und kenntnisreich fließen sie in die Details ein, die den Alltag der Menschen in Kapernaum vor unseren Augen anschaulich werden lassen. ‚Das Nest im Feigenbaum‘ lässt sich gerade angesichts der erregten Debatte innerhalb der Ev. Kirche in Deutschland über Ehe und Familie lesen als ein biblisch begründeter Beitrag zur ‚familia dei‘, zur Familie Gottes, wie Jesus sie lebte und Frauen, Männer und Kinder anregte, sie zu leben. Lesen Sie selbst!

Jutta Weiß  (Innovative 28)