Max Diestel – Des Hauses Hüter

Max Diestel – Des Hauses Hüter

Markschies empfiehlt.

Von Christoph Markschies.
Wer kennt noch Max Diestel (1872–1949)? Mindestens die, die sich näher mit dem Leben von Dietrich Bonhoeffer beschäftigt haben. Die wissen, dass der damalige Superintendent des Kirchenkreises Kölln-Land I, der sich von Berlin-Friedenau bis nach Teltow erstreckte, Bonhoeffer 1925 kennenlernte und ihn seither nach Kräften förderte. So schrieb Bonhoeffer seinem früheren Vikariats­mentor 1942 entsprechend dankbar: „Es ist mir bewusst, dass ich Ihnen die entscheidenden Anstöße in meinem äußeren beruflichen und persönlichen Leben verdanke.“

Bevor Diestel 1925 Superintendent und Pfarrer an der Paulusgemeinde in Berlin-Lichterfelde wurde, war er unter anderem Seemannspastor, Auslands­pfarrer in England und Superintendent der damals noch preußischen Hohen­zollernschen Lande in Sigmaringen.
Der Untertitel des Buches spielt auf die schreckliche Szene an, als Diestel im April 1945 das Pfarrhaus und seine sechsköpfige Familie zu schützen suchte und ein betrunkener russischer Soldat seine Frau erschoss und Diestel schwer verwundete. Er trat dann zwar noch – eigentlich längst im Ruhestandsalter – das Amt eines Generalsuperintendenten an, konnte es aber eingeschränkt nur knapp drei Jahre ausüben und starb 1949. An der Dorfkirche Lichterfelde findet man noch heute sein Grab.

Das äußerst gründliche Buch von Martin Ost, der in Berlin-Lichterfelde lebt und viele Jahre Dekan in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern war, berichtet ausführlich über das Leben von Max Diestel, sein Engagement für Jugendarbeit und Ökumene und natürlich vor allem über sein besonnenes und kluges Engagement für die Bekennende Kirche in seinem Kirchenkreis und den Widerstand gegen deutschchristliche Kirchenbehörden. Auch für bedrohte „nichtarische Christen“ engagierte sich dieser beeindruckende Theologe, der nicht in Vergessenheit geraten sollte.

Prof. Dr. Christoph Markschies ist evangelischer Theologe und Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

Besprechung von Karl-Heinrich Lütcke

Eine Biografie über Max Diestel (1872-1949) war fällig: nicht nur wegen seiner Rolle in der ökumenischen Bewegung der 1930er Jahre und seiner Bedeutung für Dietrich Bonhoeffer …, sondern vor allem, weil man hier sehen kann, wie ein durch und durch konservativ geprägter Christenmensch als Superintendent im Kirchenkampf agierte. Mit mutigen Handlungen, aber auch mit geschicktem Lavieren engagierte er sich und hielt seine schützende Hand über Pfarrer, die sich zur BK hielten. Es ist verdienstvoll, dass sich Martin Ost dieses Themas angenommen hat. …

Ost schildert den Lebensweg sachlich und präzise, blendet Kritisches nicht aus. Er hält sich mit seinem eigenen Urteil nicht zurück, bis hin zu kritischen Reflexionen über den Umgang mit der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre in der damaligen Zeit. Dabei urteilt er immer differenziert und ist sich auch des Problems bewusst, damals formulierte Sätze aus heutiger Sicht zu bewerten. Wie vorsichtig er urteilt, zeigt sich im Abschnitt über Diestel und Bonhoeffer. Er trägt sehr viele Aspekte zu Diestels Einfluss auf Bonhoeffer und dessen ökumenisches Engagement zusammen, relativiert aber Schlingensiepens Bezeichnung Diestels als „Entdecker Bonhoeffers“. …

Eine detaillierte Gliederung erleichtert die Lektüre. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf der Zeit zwischen 1933 und 1945, besonders auf den Jahren 1933/34. Hier baut der Autor die ihm vorliegenden Zeugnisse Diestels aus Briefen und Akten in eine Geschichte des Kirchenkampfes ein, in der viele Stationen und Details angesprochen werden. …

Der Titel „Des Hauses Hüter“ knüpft an die Tage nach Kriegsende an, als Diestel im Talar versuchte, die Hausbewohner und sich selber vor den eindringenden russischen Soldaten zu schützen, nimmt aber darüber das Gesamtbild des Seelsorgers Max Diestel in den Blick. Diestels Schilderung der Vorkommnisse im Pfarrhaus, bei denen er selbst schwer verletzt wurde, gehört zu den eindrücklichen Zeugnissen in diesem Buch.

Dr. Karl-Heinrich Lütcke – war Propst und Theologischer Leiter im Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

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